Spucken, Treten, Schubsen – Körperverletzung auf dem Fußballplatz

21. Januar 2021

Beim Fußball sind körperliche Grenzüberschreitungen keine Seltenheit. Doch wo verläuft die Grenze zwischen Roter Karte und Strafbarkeit?

Es passierte in der 77. Spielminute. Kurz nach dem Anschlusstreffer für TSG Hoffenheim durch Kramarić kam es bei dem Bundesligaspiel gegen Borussia Mönchengladbach am 13. Spieltag zu einem Skandal. Gladbachs Stürmer Thuram spuckte Hoffenheims Innenverteidiger Posch aus nächster Nähe mitten ins Gesicht. Schiedsrichter Willenborg vergewisserte sich des Vorganges in der sogenannten Review-Area durch wiederholtes Anschauen der Szene, bevor er die Rote Karte zückte. Sportkommentator Reif bezeichnete Thurams Verhalten als „abartig“, in der Presse wurde der Spieler als „Lama“ verspottet.

Umschubsen, Spucken, Tritte in den Brustkorb und ins Wadenbein – beim Fußball geht es teils hart zu

Spektakuläre Fouls wie diese gibt es immer wieder, dazu reicht ein Blick auf die vergangenen Jahre des deutschen Fußballsports. Am 2. Spieltag (Schalke-Bremen) der laufenden Saison sprintete Innenverteidiger Ozan Kabak in Minute 27 mit so starker Wucht gegen Abwehrspieler Augustinsson, sodass dieser den Ball verlor, zu Boden stürzte und noch mehrfach über den Rasen rollte. Währenddessen spuckte Kabak ihm noch einmal auf den Rücken, bevor er wieder Richtung Spielfeld abdrehte. Am 15. Spieltag (Eintracht Frankfurt-Schalke) der vergangenen Saison sprang Torwart Nübel in der 63. Minute dem Mittelfeldspieler Gaćinović mit Anlauf und ausgestrecktem Bein frontal in den Brustkorb. Dieser erlitt dadurch Blutergüsse, eine schwere Rippenprellung und eine ausgekugelte Schulter als Folge des Sturzes. In der Presse wurde der Akt später als „Kung-Fu-Foul“ beschrieben. Eine noch schwerere Verletzung als Gaćinović erlitt ein Spieler in der Saison 2018 der 4. Kreisklasse während eines Spieles zwischen den Vereinen SC Elite II und FC Can Mozaik II. In der 80. Minute grätschte ihm ein Gegenspieler mit gestrecktem Bein in den Unterschenkel, sodass er einen Waden- und Schienbeindurchbruch erlitt. Darauf folgten eine stationäre Behandlung und acht Wochen Arbeitsunfähigkeit.

Gratwanderungen bei Vorsatz auf Körperverletzung und Einwilligung der Geschädigten

Nur im letztgenannten Fall kam es im Ergebnis zu einem strafrechtlichen Verfahren. Der Grätscher wurde in einem Berufungsurteil des LG Hannover wegen Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 40 Euro verurteilt (36 Ns 2864 Js 17334/19 (97/19)). Die Revision des Angeklagten wurde vom OLG Celle verworfen (Beschl. v. 30.03.2020, Az.: 2 Ss 20/20*).

§ 223 I StGB, der Straftatbestand der Körperverletzung, lautet:

„Wer eine andere Person körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“

Durch den Tritt in der Kreisliga lagen sowohl eine körperliche Misshandlung als auch eine Gesundheitsschädigung vor. Insbesondere greift das Korrektiv der Sozialadäquanz der Behandlung bei dem Kreisligaspieler nicht. Zwar ist beim Kontaktsport Fußball mit spielbedingten Tritten zu rechnen, aber alle Umstände sprachen beim Kreisligaspieler gegen eine noch „angemessene“ Behandlung im Sinne eines wettkämpferischen Spiels. Unter anderem war der Ball für den Spieler völlig unerreichbar, als er zutrat. Der ausgeführte Tritt war außerhalb jeder Verhaltenserwartung beim Fußball. Beim Tritt des Torwarts Nübel greift das Korrektiv der Sozialadäquanz schon eher, schließlich zielte dieser mit seinem Fuß auf den Ball, der sich im entscheidenden Moment auf Schulterhöhe Gaćinović befand. Eine Gesundheitsschädigung stellte der Tritt Nübels dennoch durch die Folgen der Blutergüsse, Rippenprellung und bei der Schulter dar.

Anders ist dies in der Regel beim Anspucken zu bewerten. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) kann das Anspucken einer Person eine körperliche Misshandlung darstellen, wenn über Ekelgefühle hinaus etwa körperliche Auswirkungen wie ein Brechreiz beim Opfer auftauchen (vgl. BGH 3 StR 289/15). Weder im Fall des Spielers Thuram noch bei Kabak waren solche Folgen ersichtlich. Vielmehr kommt bei einem Anspucken in solchen Situationen durch die damit zum Ausdruck gebrachte Missachtung eine Beleidigung gem. § 185 StGB in Betracht – wie auch bei nicht selten zu beobachtenden ausgestreckten Mittelfingern und Beschimpfungen auf den Spielfeldern.

Bei Verletzungen durch Tritte etc. kommen im Rahmen von Fußballspielen jedenfalls zwei Besonderheiten hinzu, die die Annahme einer Körperverletzung häufig erschweren: zum einen die Frage des Vorsatzes und zum anderen die Frage der Einwilligung zur Körperverletzung.

Vorsatz: Abgrenzung zwischen bewusster Fahrlässigkeit und billigendem Inkaufnehmen

Das LG Hannover sah das Vorliegen des Vorsatzes beim trittwütigen Kreisklassenspieler als erwiesen an. Für Vorsatz ist zumindest ein billigendes Inkaufnehmen erforderlich. Dieses ist gegeben, wenn der Täter sich nach seiner inneren Haltung mit der Verwirklichung der Gefahr abfindet. Abzulehnen ist dies, wenn der Täter ernsthaft darauf vertraut, dass nichts passieren wird. Im vorliegenden Fall sprachen alle Umstände – der Ball war weit entfernt, der Angeklagte war durch das Unterliegen seiner Mannschaft in frustrierter Stimmung, der gezielte Tritt erfolgte mit großer Kraft und die Verletzung war dementsprechend schwer – für einen Vorsatz.

Schwierigkeiten bei der Annahme des Vorsatzes würden beispielsweise beim „Kung-Fu-Tritt“ von Torwart Nübel bestehen. Nübel sprintete dem mit dem Ball auf den Torraum zustürmenden Gaćinović entgegen. Im Moment der Kollision befand sich der Ball in etwa auf der Schulterhöhe von Gaćinović, sodass alles dafür spricht, dass Nübel gar nicht vorhatte, dessen Brustkorb zu treffen. Wenn auch in seiner Härte und Verletzungsfolge atypisch, steht der Tritt Nübel damit exemplarisch für unzählige Situationen im kontaktfreudigen Fußballsport, bei denen Körperverletzungen nur fahrlässig anstatt vorsätzlich verübt werden.

Einwilligung: Noch im Rahmen des Erträglichen oder bereits Verstoß gegen die guten Sitten?

§ 228 StGB schränkt die Strafbarkeit der Körperverletzung ein. Die Norm lautet:

„Wer eine Körperverletzung mit Einwilligung der verletzten Person vornimmt, handelt nur dann rechtswidrig, wenn die Tat trotz der Einwilligung gegen die guten Sitten verstößt.“

Der Charakter des Spiels als kampfbetontes Spiel ginge verloren, wenn Spieler in permanenter Zurückhaltung den Ballbesitz oder Torchancen aufgäben, um die Gefährdung von Gegenspielern zu minimieren. Daher wird von konkludenten Einwilligungen aller Spieler in sportlich veranlasste, gesundheitsgefährdende Handlungen ausgegangen, sobald sie das Feld betreten. Diese Grenze ist jedenfalls dann überschritten, wenn keine spielerischen Motive mehr verfolgt werden und die Verletzungen schwerer wiegen. Dann gilt auch der Boden der guten Sitten gem. § 228 StGB als verlassen. Beim Kreisligaspiel war dies der Fall. Bei fahrlässigen Körperverletzungen (§ 229 StGB) wie dem Tritt durch Nübel dürfte § 228 StGB noch einschlägig sein. § 228 StGB ist (wenn nicht zum Beispiel eine Rechtfertigung durch Provokation vorliegt) wahrscheinlich der häufigste Anwendungsfall beim Fußball.

Durch Sportgerichtsbarkeit und Antragserfordernis bei einfacher Körperverletzung kommt es selten zu Strafverfahren

Doch selbst, wenn Körperverletzungen oder Beleidigungen vorliegen, kommt es nur selten zu Strafverfahren vor staatlichen Gerichten. Da es sich bei der einfachen Körperverletzung und bei der Beleidigung um Antragsdelikte handelt, hängt das Tätigwerden von Staatsanwaltschaft und Strafgerichten teils bis ganz von der Initiative der geschädigten Spieler ab. Anders ist dies nur bei der gefährlichen Körperverletzung (§ 224 StGB), wo die Einleitung eines Strafverfahrens nicht zur Disposition geschädigter Spieler steht. So lag es beim Fall des Trittes in der Kreisliga.

Ansonsten verlassen sich die Spieler genau wie ihre Vereine in der Regel auf private Gerichtsbarkeiten wie dem DFB-Sportgericht. Die Satzung des Deutschen Fußballbundes schreibt Mitgliedern in § 14 vor, dass sämtliche Streitigkeiten im Zusammenhang mit der Mitgliedschaft und anderen Vereinen grundsätzlich nicht vor ein ordentliches Gericht zu bringen sind, sondern den zuständigen Verbandsorganen vorgelegt werden müssen. Auch kann der DFB-Kontrollausschuss Ermittlungen einleiten und Strafanträge an das Sportgericht stellen. Vereine und Mitglieder unterwerfen sich den Entscheidungen.

Für den Stürmer Thuram hieß das konkret eine Geldstrafe in Höhe eines Monatsgehalts sowie eine Sperre von sechs Spielen. Kabak musste 15.000 Euro zahlen und wurde für vier Pflichtspiele gesperrt. Nübel wurde zu einer Geldstrafe von 12.000 Euro verdonnert. Vier Spiele lang durfte er zudem nur vom Spielrand aus zuschauen. Und der Kreisligaspieler wurde für ein Jahr von einem Sportgericht gesperrt. Die Geldstrafe in dem parallelen Verfahren vor dem LG Hannover führte bei ihm zu einem Eintrag in das Bundeszentralregister (Führungszeugnis).

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